Freitag 08.Oktober 2010 – der 10 Tag auf Pilgerreise

Ich erwache früh, Marco und Nick schlafen noch in den Betten unter mir. Ich möchte keinen Wecken und so fühle ich nach Kleidung, Uhr und Fotoapparat in der dunklen Kabine, weil ich die neuen Freunde nicht stören möchte. Vor der Tür sehe ich, es ist 05:30 Uhr – Was nun? Ich durchsuche das Schiff nach einer Kaffeemaschine, vergeblich. Die Fähre liegt noch im Hafen vor Venedig und ich warte auf den Sonnenaufgang und das Ablege Manöver. Gegen 07:00 Uhr geht es los – erst die Sonne und dann auch die Fähre kommen in Bewegung.

Sonnenaufgang bei Venedig

Sonnenaufgang in Mestre

Venedig bei Sonnenaufgang in der Ferne – Wunderschön. Marco springt mit anderen Gästen auf das Oberdeck und wir genießen die lange Ausfahrt aus dem Hafen – hinaus ins offene Mittelmeer. Es weht ein kalter Wind. Nick liegt schlafend in der Koje, er verpasst den Augenblick. Gegen 08:00 Uhr gibt es endlich Kaffee und Frühstück – nennen wir es einmal so. Ich habe die Wahl zwischen einem Croissant oder etwas Brot mit Marmelade. Richtig gelesen: ODER. Dazu einen Jogurt, Orangensaft und einen Cappuccino. Den zweiten Cappuccino bezahle ich. Ich denke an das Frühstück bei uns im Imbery – dann erinnere ich mich: Ich bin ja auf einer Fähre, nicht in einem Hotel. Ich dusche heiß und ein wunderschöner Tag auf See beginnt. Hin und wieder eine Wolke – ansonsten sehen wir die Sonne scheinen. Trotz des Windes ist es warm an Deck. Ich versuche eine Internetverbindung mit meinem Netbook herzustellen – der Provider heißt: „guglielmo.biz“ und ich muss meine Visa-Daten angeben. 14 Euro für 3 Stunden – doch nichts passiert. Ich werde nervös. Habe ich jetzt Mist gebaut, wird nun mein Konto geplündert? Ein hilfsbereiter Stewart stellt sich dem Problem, scheint kompetent und er beruhigt mich. Das Problem lösen kann er aber auch nicht. Wir werden es den ganzen Tag probieren, doch eine Verbindung kommt nicht zustande – selbst die Seite für die Visa-Daten ist nicht mehr aufzurufen. Also doch – ich habe unser Geld verbockt. Ich kann im Moment nichts tun. Von Pancho, einem sympathischen Menschen aus Honduras der auf dem Schiff arbeitet erfahre ich, dass auch das Personal keine Möglichkeit bekommt ins Internet zu gehen. Keine Kontakte mit der Heimat über Facebook und Co. – außer, sie zahlen die Luxuspreise. Also kann mir auch keiner von den überwiegend netten Jungs helfen. Ich hoffe und bete, dass ich nur eine Einstellung fälschlicherweise geändert habe und gebe mein heutiges Internetprojekt auf.

Mariet und Wilhelm

Mariet und Willhelm

Ich lerne Wilhelm und Mariet kennen. Das Paar aus Holland ist mit einem Jeep unterwegs, den ich in Venedig schon bestaunt habe. Eine ideale Offroad – Maschine von Toyota. Sie verbringen einige Wochen in Ägypten, dann möchte Wilhelm über den Sudan, Äthiopien und Kenia nach Tansania weiter. Ich bin plötzlich hellwach – das ist doch meine Tour. Wir unterhalten uns, freunden uns an – sie sind beide sehr sympathisch. Ich falle mit der Tür ins Haus, frage: „Kann ich mitfahren, wenn ich das Benzin bezahle?“ Wilhelm lehnt nicht sofort ab, er scheint zu überlegen. Wir vertagen das Thema auf später und ich versuche mich wieder an meinem Internetzugang. Gerade jetzt wäre es praktisch, könnte ich Ihnen meinen Blog zeigen. Auch Wilhelm führt einen Weblog über seine Reise und auch er bekommt kein Internet auf seinem Laptop zustande.

Ich gehe schlafen, bin müde und überbrücke so den größten Teil des heutigen Nachmittags. Später treffe ich Mariet und Wilhelm wieder auf dem Sonnendeck und wir gehen die Möglichkeit einer gemeinsamen Teilstrecke durch. Ich müsste mich um ein Visum bemühen und ich müsste bis Anfang November in Ägypten ausharren. Dann fliegt Mariet nach Holland zurück und Wilhelm und ich würden mit dem Toyota durchstarten. Hört sich nicht schlecht an, zumal er Suaheli spricht und Teile Afrikas bestens kennt. Wir trinken ein Bier zusammen, dann ruft mich das Abendessen mit Marco. Nick (der richtige Pilger) spart sich heute das Geld und wir bringen ihm einen Apfel und eine Orange aus dem Restaurant mit. Ich habe bei Antritt der Reise für 64 Euro die Verpflegung mitgebucht – habe nun ein schlechtes Gewissen. Aber einzeln, ist das Essen hier wirklich nicht zu bezahlen. Wie so oft, wird auch hier versucht aus jedem Gast rauszuholen was geht. Dieses Gastrosystem gibt es zu oft auf der Welt und auch hier ist zu sehen, dass die Gäste murren und unzufrieden sind. Für das Personal macht dies die Arbeit nicht leichter, auch sie lächeln nur selten. Die Konsequenz: Abends sind Lobby und Restaurant menschenleer.

Windige See

Pilger Stephan auf Deck

Ein wunderschöner Sonnenuntergang auf dem Meer beschließt unseren Abend und wir sehen wieder Land an Backbord und tippen auf das Ende von Italien. Ich erzähle von meiner Familie und das sie mir gerade jetzt mal wieder fehlt. Ein letztes Mal in die Lobby, jeder von uns schreibt sich Notizen der Reise auf, wir werden wieder früh schlafen gehen. Nun wissen wir auch, wie wir in unserer Kabine die Klimaanlage regulieren können – ich werde heute Nacht also nicht mehr frieren.

Gute Nacht Ihr Lieben – es gäbe noch so viel zu berichten, denn ich führe den ganzen Tag Gespräche mit faszinierenden Menschen. Bis Morgen – so Gott will.