Mein Menschenweg ist beendet, die Reise geht weiter.

Nun ist es eine Heimreise.

Natürlich ist meine Enttäuschung groß, aber auch meine Erleichterung und Freude. Wenn es mein Ziel gewesen ist, über mich, mein Umfeld und meine mögliche Zukunft mehr zu erfahren, dann ist dieses Ziel bis zu meinem Wendepunkt in Conakry erreicht worden.

Täuschungen, die ich von mir selbst hatte, sind vor mancher Erkenntnis geflüchtet und auch andere liebgewonnene Schleier sind gefallen, manche schon vor meinem Reiseantritt, andere erst viel später und während der Reise.

Ent-Täuschungen mögen oft schmerzhaft sein, aber sie sind prinzipiell etwas Positives. Wie es das Wort ja schon ausdrückt.

Meine Erleichterung ist ebenfalls riesengroß, denn der Kelch ist an mir vorbeigegangen und ich kann, trotz dass ich mein geographisches Ziel nicht erreicht habe, wieder umkehren. Diesmal mit dem Vorhaben, meine Kinder bald wieder in die Arme zu schließen.

Die Freude, die ich empfinde, erhalte ich durch die vielen Lesern, die mir Anerkennung schenken, den neuen Bekanntschaften in meinem Leben und jenen Freunden und Menschen, bei denen kein vorhandenes Bild einem neuen weichen musste. Danke Euch.

Wollte ich nicht Antworten von meinem Gott und den Göttern? Ich denke, ich habe eine erhalten. So wie ich als Pilger unterwegs bin, habe ich großes Verständnis, dass ich momentan keine Audienz in Oldupai bekomme. Außer dort wäre Walhalla und Odin ist es, dessen Ruf ich gefolgt bin.

Diese Gedanken und andere habe ich in den drei Tagen in Dakar, während ich mich nach der anstrengenden Reise, aus Guinea zurück, ausruhe.

Ich schreibe meinen Blogbeitrag, kommuniziere auf WhatsApp und Facebook, esse gut und trinke viel und gönne mir erstmals wieder Ablenkung, indem ich mir Sendungen und Filme auf meinem Tablet ansehe. Bayern verliert 5:1 in Frankfurt und Freiburg holt durch einen Last-minute-Petersen noch einen Punkt beim 2:2 in Bremen.

Am Sonntagmorgen verlasse ich mein Hotel in Dakar und schnappe mir auf dem Sammelplatz einen Wagen nach Rosso, an die Grenze zu Mauretanien. Ich löse zwei Tickets und so ist es nur eine Person, die neben mir auf der letzten Bank des Autos sitzt. Eine Beinfreiheit gewinne ich dadurch trotzdem nicht.

Ich kenne die Strecke von der Hinfahrt und es sind nur wenige Szenen und Landschaftsbilder, die meine Aufmerksamkeit anziehen. Einer meiner Mitreisenden meint, dass wir für die vierhundert Kilometer etwa vier Stunden bräuchten. Ich lächle, denn ich weiß es ja besser. Wir kommen gut durch die mir bekannten Ortschaften, passieren irgendwann den vermüllten Strand von St. Louis und nach gut sieben Stunden, steige ich mit schmerzhaften Knien auf der senegalesischen Seite von Rosso aus dem Vehikel aus.

Unzählige Taxifahrer bedrängen mich und wollen mich in den Kernort bringen. Ich habe mich jedoch mit meinem Bekannten von der Hinreise, Moctar Dieng verabredet, kaufe mir zwei Cola und setze mich neben meinen Koffer auf den Boden, des Sammelplatzes für Taxis und warte auf ihn. Leider kommt er nicht, mich zu holen und ich warte die Dämmerung ab, etwa eine Stunde, ehe ich zwei kleine Jungs auf einem Einspänner anhalte und sie bitte, mich zu einem Hotel zu fahren.

Wahrscheinlich haben sie Pferd und Wagen von ihrem älteren Bruder ausgeliehen, denn ihre zur Schau gestellte fachmännische Art, die Euphorie mit der sie auf das arme Pferd eindreschen und die Ratlosigkeit, wo denn ein Hotel sein könnte, bringen mich zu diesem Gedanken. Ich lindere das Leid des Zugtieres, indem ich auf eine gemächliche Fahrt bestehe und lasse sie nach einem Hotel fragen. Direkt an der Grenzstation werden wir fündig. Leider bezahle ich die Jungs und gebe ihnen, jedem einen rosaroten Luftballon, ehe ich mir das Hotel näher angeschaut habe. Ich bin in einem Bordell für Lastwagenfahrer und andere Grenzgänger gelandet.

Man führt mich durch einen Innenhof, indem aus Lautsprechern laute Musik schallt, Betrunkene an Tischen oder an einer Bar sitzen und in dem leichtbekleidete Mädchen und Frauen, flirten und gestikulieren. In dem sogenannten Hotel spaziere ich an rotbeleuchteten Zimmerchen vorbei, die lediglich einen dünnen Teppich als Sichtschutz anstatt einer Tür haben und man zeigt mir meinen Gastraum, welcher immerhin über eine abschließbare Tür und eine eigene Toilette verfügt. Die Matratze ist nicht bezogen, liegt auf dem Boden und darauf eine dicke Pferdedecke. Die Toilette ist ein Loch im Boden und einen Eimer mit Wasser daneben.

Es ist früh am Abend und ich beschließe noch einmal auf die Straße zu gehen. Ich brauche frisches Wasser, Toilettenpapier, etwas zu essen und vielleicht sucht mich mein Bekannter noch. Ich vernehme Geschrei und Rufe und als ich in den Innenhof meines Etablissements trete, bin ich Zuschauer einer ordentlichen Schlägerei. Ein großer Schwarzer stellt sich als Schutz vor mich oder damit ich nicht zu viel sehe. Ich genieße das Schauspiel trotzdem und spüre das Adrenalin in meinem Venen steigen. Betrunkene die sich prügeln, dazwischen kreischende Halbnackte … Männerherz, was willst Du mehr? Auch mein Schutzschild schmeißt sich irgendwann in das Treiben und ich sehe den Moment gekommen, meine Stellung zu wechseln.

Ich gehe zu dem Grenzposten, durch den ich morgen schreiten werde, dann ziehe ich durch das schmuddelige Städtchen, um meine Einkäufe zu tätigen. Als mich ein Polizist, den ich nicht sogleich verstehe, ermahnt, dass ich ihm mehr Respekt entgegenbringen soll, erscheint Moctar urplötzlich. Ich entschuldige mich, wofür auch immer, bei dem Staatsdiener und freue mich, dass ich meinen Freund wieder an der Seite habe. Wir essen etwas zusammen an der Straße, erledigen die Einkäufe, dann bringt er mich in mein Zimmer, durch den wieder ruhigen Innenhof des Grand Hotels in Rosso, ehe er sich verabschiedet und wir uns auf den folgenden Tag zur Grenzpassage verabreden.

Ich nehme eine Katzenwäsche mit dem Wasser aus dem Eimer und lege mich mit Kleidung auf die Matratze am Boden. Das Einschlafen will mir nicht gelingen und so hole ich mir aus dem Innenhof drei Bier und trinke diese auf meinem Zimmer, während ich der lauten Musik, dem Gelächter der Menschen und anderen Geräuschen aus Babylon lausche. Ich glaube das Blöcken einer Ziege zu hören. Doch es ist ein sich übergebender Mensch, den ich durch das Luftloch meiner Toilette vernehme. Irgendwann schlafe ich ein.

Bis bald.