Das Hotel, in dem ich das Doppelzimmer und die Kosten mit Pheobe teile, heißt Tourism-Hotel und liegt in Conakrys Stadtteil Kipe. Es ist ein sympathisches Kleinod und das Personal sehr freundlich. Auf dem Parkplatz stehen fünf Autos der gehobenen Klasse, selbst für deutsche Verhältnisse. In den u-förmig angelegten Zimmern, über drei Etagen, haben wir im zweiten Stock Einzug gehalten. Auf dem rundlaufenden Balkon, der zu dem bewachten Innenhof führt, kann ich über die Mauern hinweg Häuser und Baracken, einen kleinen Ausschnitt des Atlantiks und abends, den bezaubernden Sonnenuntergang sehen.
An meine ersten Tag in Conakry bin ich zum Nichtstun gezwungen, denn es ist in der Stadt eine Massendemonstration angekündigt und Geschäfte, wie auch die Botschaft der Elfenbeinküste, an der ich meine Visa für die Weiterreise erhalten möchte, sind geschlossen. Die Straßen sind leer, was bedeutet, dass nur jeder vierte Straßenverkäufer seine Waren anbietet und der tägliche Stau in Conakry sich in Grenzen hält. Im Fernsehen zeigen sie Bilder des Bürgerprotestes, an dem wohl Hunderttausende teilnehmen.
Ich schreibe meine Blogbeiträge über die Flucht aus Dakar und über meine Reise nach Guinea, setze diese Online und schaue mir dann mit Phoebe die Umgebung etwas an. Conakry ist ebenso vermüllt, wie jede andere Stadt und Ortschaft, durch die ich in Afrika bisher gezogen bin. Wir schlendern durch die Gassen hinunter zum Strand und sehen den menschengemachten Unrat überall liegen. Dazwischen tummeln sich bunte Eidechsen, Käfer, Ziegen, Heuschrecken, Hunde und Fliegen.
Wie ich schon beschrieben habe, wird in Afrika jedes konsumierte Produkt auf der Stelle entsorgt. Man wirft es auf die Straße. Plastikflaschen, Tüten, Dosen, Essensreste, usw.
Ein besonderes Augenmerk schenke ich einem Produkt, dass mir überall in Afrika begegnet und was ich vorher noch nicht kannte. Es ist der Verkaufsschlager schlechthin und somit leider auch überall, millionenfach in der Landschaft zu finden.
Es sind kleine Wassertüten.
Kaufe ich mir noch das Wasser in den Plastikflaschen mit eineinhalb Liter Inhalt, die auch überall rumliegen, ist scheinbar ganz Afrika dazu übergegangen, das Wasser in kleinen Tüten zu kaufen. In jedem Laden, bei jedem Straßenverkäufer, überall werden diese eiskalten Wasserbeutel angeboten. Kinder und Frauen tragen diese Beutel in geschlossenen Schalen auf dem Kopf und beglücken damit Menschen, die zum Beispiel in einem der unzähligen Staus stehen.
Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Tüte enthält 400 Milliliter, meist eisiges oder kühles Wasser und ist in dieser Portionierung ideal für den Durst, zum Erfrischen oder Waschen. Die leere Tüte wird anschließend weggeworfen. Man muss kein restliches Wasser, welches warm geworden ist, mit sich rumschleppen.
Nun kann sich jeder ausrechnen, wie oft so eine Tüte in Afrika verkauft wird, da sie alle Menschen (mehrfach am Tag) verwenden. Und es kann sich jeder vorstellen, welche Hinterlassenschaften dadurch entstehen.
Ich denke an Greta, an meine Kinder und an die Kinder Afrikas und der Welt. Produkte werden von Firmen verkauft, die dadurch einen Gewinn einfahren und sich um die Beseitigung des anstehenden Abfalls nicht kümmern müssen. Dies ist falsch. Sehr falsch.
Ich könnte nun viele Beispiele nennen, aber diese Wasserbeutel sind prädestiniert für meine Überlegungen.
Irgendein schlauer Mensch kam irgendwann auf die Marketingidee, das benötigte Wasser nicht nur in Flaschen zu verkaufen, sondern zusätzlich in praktischen Portionstüten. Ich sehe hier mit eigenen Augen die Erfolgswelle, die er damit angeschoben hat. Andere Firmen übernehmen diese umsatzsteigernde Lösung und verkaufen ebenfalls ihr Wasser in diesen kleinen Beuteln. Die Konsumenten sind zufrieden, denn sie haben kühles Wasser überall und immer. Die Straßenverkäufer und natürlich auch die Produzenten sind mehr als zufrieden, denn sie verkaufen diese Tüten zu Millionen, zu Millionen, zu Millionen und fahren satte Gewinne ein.
Doch warum verpflichtet sie keiner, dafür zu sorgen, dass dieser Müll nicht dauerhaft unsere Landschaften und Gewässer versaut? Aktionäre und Privatpersonen erhalten sehr viel Geld und der Rest der Menschheit muss den Müll hinnehmen und Kosten aufbringen, damit dieser entsorgt wird?
Wer Abfallprodukte produziert und mit den Inhalten Geld verdient, hat gefälligst dafür zu sorgen und zu bezahlen, dass diese wieder in einen Kreislauf finden oder fachgerecht entsorgt werden.
Ich träume weiter und sehe in jedem Dorf und in jeder Stadt einen Umweltbeauftragten, der Anerkennung und Vollmachten erhält, um dieses zu Gewährleisten. Mir fallen Statistiken ein, demnach 80% des Weltvermögens in den Händen von 20% der Menschheit liegen, eben jenen Nutznießer, denen die Firmen gehören, die unseren Müll produzieren. Und jene Zahlen, wonach 50% der unter Fünfundzwanzigjährigen in Afrika arbeitslos sind. Wie viele Jobs würde man schaffen, wenn man diesen Kontinent mal sauber machen würde? Wie viele Jobs würden entstehen, wenn man die Welt aufräumen wollte? Das Geld hierzu ist da.
Ist das in Deutschland anders? Kein bisschen. Die Abfallprodukte werden von der Allgemeinheit unter steigenden Kosten für Müllentsorgung beseitigt und die Firmen, die jenen Müll produzieren, beteiligen sich nicht daran, sondern beschäftigen unzählige Anwälte und Steuerberater, damit sie ihre horrenden Gewinne klein rechnen können.
Ich habe mich in Rage geschrieben, ich gebe es zu. Aber diese vermüllte Erde ist ein Problem. Und ich weiß, dass jeder der mit offenen Augen über diesen (grünen?) Planeten läuft, dies genauso sieht.
PS und Freude: Eine weitere Spende für Madeleines Schulgeld über 30 Euro, ist bei mir eingegangen. Auch diese wird ihr für die Zukunft helfen.
Vielen Dank, dem anonymen Spender
Bis bald