Addis Abeba / Äthiopien der 09.11.2010

Heute möchte ich mich erst einmal wieder entschuldigen. Die letzten Tage habe ich meine Beobachtungen aus der Sicht eines verwöhnten Europäers getroffen und dies damit entschuldigt, dass ich mich wie ein Soldat fühle auf einer dringenden Mission. Eine schwache Entschuldigung – ich gebe es zu. Ich habe mich über die kirchlichen Lautsprecher, früh morgens um 04:00 Uhr in Gonder aufgeregt und jedoch mit keinem Wort die Scharen von Christen erwähnt, die ab 06:00 Uhr die Straßen säumten auf dem Weg zu ihren Gottesdiensten. Die Menschen in Äthiopien sind, soweit ich sie kennen gelernt habe, freundlich und sehr hilfsbereit. Es scheint in ihrer Natur zu liegen. Anders zu den liebenswürdigen Menschen im Sudan, halten sie hier keine angenehme Distanz. Sie sprechen einen auf offener Straße an, wollen wissen; woher man kommt, wie man heißt und was man heute noch vorhat. Diese Hilfsbereitschaft ist hier in Äthiopien zum Gewerbe geworden und viele junge Menschen, alles „Studenten“, haben den ganzen Tag Zeit, irgendwelchen Touristen Informationen und Dienstleistungen zu besorgen. Dies gegen ein hohes Trinkgeld.

Ich fühle mich an meine Arbeit auf Mallorca erinnert und lächele bei dem Gedanken an einen Satz, den ich von dort kenne: „Das Schlimmste ist auf Gottes Erden, als Schnapper noch geschnappt zu werden“. Ich mache mir unter den „Studenten“ einen Ruf, weil ich ein so geringes Trinkgeld gebe, dass die meisten es ablehnen und sich dann wundern, wenn ich es zurück in meine Taschen stecke, anstatt es zu erhöhen. Ob ich nicht wisse, was das Geld wert sei? Oh doch, sehr wohl. Jedenfalls, hat mich diese Art der Anmache misstrauisch gemacht und hinter jedem lieben „Hello“ vermute ich ein Fremdinteresse mit direktem Drang auf meinen Geldbeutel. Damit tue ich leider sehr vielen Äthiopier Unrecht, denn wie erwähnt, sie sind ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Auch jene die nicht an mein Geld wollen. Ich muss nur zu unterscheiden lernen und das fällt mir nicht leicht. Ich gehe in die Defensive, werde zu einem „Soldaten“ und lehne die meisten Begegnungen ab. Ich hoffe, dass diese Entschuldigung die richtigen Menschen erreicht. Sorry und Danke.

Auch bin ich in diesen Tagen der Reise müde. Da ich ein Ziel verfolge, langsam unter Zeitdruck komme und auch meine Finanzen, das Ende der Mission einläuten, hetze ich von einer Etappe zur nächsten. Meine Landschaftsbilder erlebe ich hinter den Fenstern eines Buses und auch meine Begegnungen finden nur noch in Hotels und während der Weiterfahrt statt. Damit bin ich nicht zufrieden und das “Pilgern” macht so keinen großen Spaß.

Zu guter Letzt, fehlen mir die Lieben zuhause und ich bekomme Heimweh in den ruhigen Momenten. Mir fehlen die Gespräche mit Melanie und das Schmusen mit meinem Sohn. Ich bete momentan nur selten, vergesse es einfach oft. Dann sind es Kurzgespräche mit Gott und die obligatorische Bitte, auf meine Familie aufzupassen – die Kleine und die Große. Gespräche mit anderen Menschen über Gott und die Götter finden gar nicht mehr statt. Das Pilgern ist zu einer Afrika Rallye verkommen. Ich gelobe Besserung – ich muss nur mal noch „schnell“ nach Tansania.