1 Oktober – Morgens in Todtmoos – dritter Reisetag

Ich wache um 5:00 Uhr zum ersten Mal auf und schlafe bald aber wieder ein. Um 8:30 Uhr ist das Schlafen endgültig vorbei und ich gehe in den Frühstücksraum zu Kaffee, Brötchen und Ei. Außer mir ist noch ein weiterer Gast im Haus und wir teilen uns brüderlich die zwei Eier. Wieder im Zimmer, lasse ich mir Zeit beim Packen und der Morgenwäsche. Ich bete nicht, denn ich habe den ganzen Tag Zeit dafür.

Aufbruch in Todtmoos

Stephan in Todtmoos

Ich bezahle mein Zimmer und mache mich auf zum Busbahnhof. Ich möchte heute nach Waldshut fahren und dann bis Reckingen, am Rhein entlang wandern. Der Bus kommt erst in eineinhalb Stunden. Was mache ich bis dahin? Ich trampe! Ein weiterer Versuch mit menschlicher Hilfe auf dieser Pilgerreise weiter zu kommen.

Trampen kann und kenne ich. Als Jugendlicher, war es für mich eine oft genutzten Fortbewegungsart. Einmal bin ich in Matrosenuniform von Flensburg, quer durch Deutschland, nach Hausen an der Möhlin getrampt. Ich brauchte einen Tag dafür. Ich stehe an der Straße oberhalb des Busbahnhofes und halte meinen Daumen in Richtung Säckingen. Ich bin für das Trampen vorbereitet. Habe ein gepflegtes Äußeres, suche den Blickkontakt zu den Fahrern, stelle mich Selbstbewusst aber nicht drohend hin, lächele … und siehe da: …kein Auto hält.

Kein Augenkontakt kommt zustande, stattdessen steht an der anderen Straßenseite anscheinend ein besonders schöner Löwenzahn, denn viele Fahrer blicken gebannt auf die andere Seite, während sie an mir vorbei fahren. Einige geben mir mit der Hand zu verstehen, dass sie nur im Ort rumfahren. Ich grüße zurück. Um mir die Zeit zu vertreiben und um es nachzuholen, bete ich. Kein haltendes Auto, trotz gehobenem Daumen stört meine Gebetsruhe.

Nach 40 erfolglosen Tramp-Minuten ist das Unternehmen vorbei. Der Bus nach Säckingen kommt. Für 3 Euro löse ich das Ticket und ich erlebe einen wunderbar herzlichen Busfahrer, der sich um verschiedene Gäste kümmert, auch um mich. Dies geduldig und aufmerksam. Na also es gibt sie doch, die menschlichen Engel in Todtmoos.

Engel auf Rädern

Menschlicher Busfahrer

Die Busfahrt verläuft angenehm. Ich sehe die schöne Schwarzwaldlandschaft an mir vorbeiziehen und höre die Songs von Ben jamin`. Das Lied „Kannst Du mein Herz verstehen?“ ist mein Favorit, mein Song für die Reise. Ich überlege, ob Melanie das Lied auf den Blog setzen kann. Ist das OK für Dich Ben jamin`? Ich kläre das Morgen ab. Der Bus fährt jede Siedlung an, hält selbst dort wo keine Häuser sind. Langsam nähern wir uns Säckingen und die Wolken brechen auf, machen der Sonne Platz. Ich steige am Bahnhof aus und kaufe mir ein Zugticket nach Waldshut für 3,00 Euro. Ich spaße mit der Ticketverkäuferin, denn sie hat bei meinem Anblick, ein Ticket zu entfernteren Zielen erwartet. Ich frage nach Schlafwagen, Erste Klasse und Speisewagenreservierung für die Fahrt nach Waldshut. Wir lachen. Wenig später kommt der Zug, es ist 12:00 Uhr und viele Schüler bevölkern den Zug. In Waldshut steige ich aus und wandere zum Rhein hinunter.

Waldshut am Rhein

Waldshut am Rhein

Ich möchte nach Reckingen laufen, immer am Rhein entlang. Dort wohnen Mama und Bluwi und ich mache einen letzten Boxenstopp in Deutschland. Ich plane einen Tag mit der Reise auszusetzen, mein Gepäck endgültig zu packen, den Weblog zu finalisieren und Einladungen zu versenden. Auch sehe ich morgen Melanie, Apollo und meinen Sohn noch einmal. Ich habe Vorfreude. Doch erst liegt die Strecke nach Reckingen noch vor mir. Ich wandere bei schönstem Wetter den Rhein entlang. Bei der Zollbrücke jedoch, muss ich den Rhein verlassen. Ein Zollbeamter betrachtet mich skeptisch, als ich ihn nach dem Weg frage. Ich verlasse an der B34 Waldshut. Es gibt keinen Wanderweg und keinen Gehsteig. Die Autos und LKWs rauschen an mir vorbei. Ein Straßenschild ist wenig hilfreich, es steht darauf: Gefahr sehen – links gehen. Wie soll ich die Straße bei diesem Verkehr überqueren? Gefahr sehen – links gehen …reiner Selbstmord. Ich bleibe auf der rechten Seite, laufe im Gras und auf Äckern. Irgendwann, nach zwei erfolglosen Versuchen, komme ich rechts über die Wutach. Auf dieser kleinen Brücke, bin ich noch mit meinem Opa im Auto oder auf dem Traktor rüber gefahren. Heute sind es nur noch Fahrradfahrer und Fußgänger

die diese Brücke benutzen, die Autos fahren links auf einer größeren Brücke über Schilder im Waldden Fluss.

Endlich wieder Wanderwege. Durch sonnige Herbstwälder gelange ich wieder an den Hochrhein und ich wandere stromaufwärts. Es sind nur wenige Wanderer und Radfahrer unterwegs und ich laufe, laufe und laufe. Etwa 12 Kilometer sollen es zu wandern sein, mir kommt die Strecke unendlich länger vor. Meine Blase meldet sich, aber noch mehr bereitet mir das Gepäck auf dem Rücken Schmerzen. Ich ändere mehrmals den Halt meiner Träger am Rucksack, aber es hilft nicht viel. Ich genieße die Sonne, den Wanderweg und den Schmerz. Meine Gedanken kreisen um Nichts und ich summe das Lied von Ben jamin` vor mich hin. Vor mir läuft eine Frau dieselbe Strecke in gleichem Tempo, bis sie nach einer halben Stunde, mich entdeckt und ihren Gang beschleunigt. Was für einen Eindruck muss sie haben? Gefahr am Hochrhein?

Gleich bei Mama

Ich schmunzele und laufe weiter, die Blase drückt weiter und mein Rücken hält die ganze Wanderung für einen schlechten Scherz. Ich passiere Kadelburg, Küssaberg und endlich bin ich da, bei Mama in Reckingen. Mein dritter Pilgertag endet mit vertrauten Gesprächen, Ochsenfleisch in Meerettichsauce und Mineralwasser. Ich telefoniere mit Melanie, sehe mir mit Mama Fotos an, scherze mit Bluwi und gehe gegen 20:30 Uhr ins Bett. Ich schlafe gut.